Samstag, 5. Oktober 2013

20 Minuten Ärger


von Jasmine

Da steige ich doch ohne böse Vorahnung in den Zug, um von der Arbeit nach Hause zu fahren, Alltag halt, ein Tag, wie so viele andere, müde bin ich, da ich letzte Nacht mal wieder nicht recht habe schlafen können und ich will es mir also im halbleeren Wagen bequem machen - die Füsse auf das zusammengefaltete 20 Minuten legen (dafür liegen die doch da so ungefragt rum, oder?), entscheide mich dann aus Gründen des ergonomischeren Sitzens dazu, das Blatt auseinanderzufalten und bekomme dann zu lesen:

Feminismus ärgert Männer und Frauen

So titelt das 20 Minuten heute (Freitag 4. Oktober). "Ach, Mensch, warum?!" denke ich und bin einen Moment lang geneigt, die Zeitung einfach umzudrehen (gewisse Dinge vertrage ich nicht so nahe an meinem Körper) und trotzdem meine Beine darauf zu platzieren und mich weiterhin arglos des Wochenendes freuen, doch dann, ach, ach, merk ich, dass es schon zu spät ist: Es ist schon in meinem Körper drin. Ungefragt, unerwünscht eingedrungen, was für eine Anmassung, sitzt es jetzt nicht in meinen Unterschenkeln, sondern in meinem Kopf (meine Achillesferse allemal). Was will man da machen, man kann es da drin ja nicht verfaulen lassen, sondern muss es wieder irgendwie rausbefördern. Rauskotzen, wenn man so will, auch wenn man nicht will.
A propos wollen, wo wollen wir denn anfangen?
Beim Titel, denk ich jetzt mal, irgendwo muss man ja anfangen und das kann man ja grad beim Anfang. Also, der Feminismus ärgert also Männer und Frauen.

Frage 1: Welcher Feminismus? (gewisse feministische Strömungen ärgern mich nämlich durchaus, nämlich all jene, die nicht konsequent intersektional sind und die ihrerseits zur Reproduktion von Unterdrückungs- und Ausschlussmechanismen beitragen. Find ich ärgerlich, ja.)
Ach, ich kokettiere damit ja nur, selbstverständlich weiss ich sehr wohl, wovon die Rede ist, wenn ein Massenmedium (20 Minuten ist ja immerhin die meistgelesene Zeitung der Schweiz) das Wort "Feminismus" fällt: (ja, folgender Abschnitt ist hyperbolisch, aber leider eine durchaus viel zu realitätsnahe Zusammenfassung des Mainstream-Feminismus-Diskurses) "Der Feminismus" ist nämlich eine bedrohliche Bewegung, angeführt von Mannsweibern, die einerseits rumflennen, weil sie zu wenig verdienen, zuviel Hausarbeit leisten müssen und von Männern zu viele (oder zu wenige) Komplimente bekommen - wie ungerechtfertigt und undankbar! und die andererseits die Männer kastrieren wollen, ihnen also Jobs und Kinder klauen (oder sowas) - und dabei noch nicht mal hübsch und lieb lächeln - eine Frechheit ist das.
Das also ungefähr der Topf, der geöffnet wird, wenn ein Massenmedium tatsächlich das Wort Feminismus verwendet. Damit, was Feminismus wirklich ist, beziehungsweise was Feminismen wirklich sind (kritische Auseinandersetzung mit ungerechten gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen), hat das reichlich wenig zu tun. Oder was zumindest wegfällt, ist das "kritisch". Dass es um Herrschafts-/ Machtverhältnisse geht, wird hingegen durchaus klar. Und zwar geht es um das Verhältnis zweier als homogen gezeichneter Gruppen: Männer und Frauen.

Frage 2: Welche Männer, welche Frauen?
Unsere Gesellschaft behauptet ja bekanntermassen die Dichotomie männlich-weiblich immer und immer wieder, auch wenn offensichtlich klar ist, dass sie nicht aufgeht.
Die Idee von
Mann =
"männlicher Körper" bei Geburt (Geschlechtsorgane, Chromosomen), "männlicher Körper" nach der Geschlechtsreife (tiefe Stimme, Gesichtsbehaarung, grösser gewachsen als Frauen, mehr Muskeln als Frauen...) =
als männlich konnotiertes soziales Verhalten (da lässt sich so vieles einsetzen, z.B. aggressiv aber rational, nicht an Gefühlen und Worten interessiert, wollen immer und überall und jederzeit Frauen ficken - sprich: dominant);
stimmt auf so vielen Ebenen nicht. Offensichtlich. Denn es gibt Männer ohne Penis, Männer mit hoher Stimme, Männer, die lieber mit Männern als mit Frauen schlafen, Männer, die an Gefühlen und Worten sehr interessiert sind (ich persönlich treffe eigentlich nur solche -oh, Wunder- Männer sind auch vielschichtige Menschen, noch bevor sie Männer sind). Und das, was diese Männer gemeinsam haben, ist einzig das Label "Mann", dem sie sich aufgrund des Label-Zwangs zugeordnet haben. Jeder Mensch muss entweder oder sein. Dass man nur durch das Wissen um das Label einer Person noch nichts über die Person selbst aussagen kann (ich bin zum Beispiel bisweilen auch sowohl aggressiv als auch rational) und schon gar nicht von Äusseren eines Menschen auf irgend etwas schliessen kann, liegt auf der Hand. 

Immer wieder der Geschlechterkrieg
Nun was macht dieser Titel, wenn er schreibt „Frauen und Männer“? Dem Es-gibt-zwei-und-nur-zwei-Geschlechter-Modell nach würde das ja bedeuten „alle Menschen“. Wäre der Titel „Feminismus ärgert alle Menschen“ also auch denkbar? Nein wäre er nicht, denn der ganze Sinn dieses Artikel besteht darin, den sogenannten Geschlechterkrieg mal wieder zu proklamieren:
„Männer und Frauen haben genug vom Gezänk um die Gleichstellung.“, Titelseite
wobei sie ihn ja erst anstacheln, beziehungsweise gerade aktiv selber führen.
Wenn wir schon dabei sind, können wir die Idee des Geschlechterkriegs als das sehen, was er wirklich ist? Bitte! Es ist nämlich kein Krieg zwischen einzelnen „Männern“ und „Frauen“, die sich als ebenbürtige Gegner bekämpfen, wie das gerne dargestellt wird, sondern ein „Krieg“ zwischen solchen Menschen und Institutionen (z.B. Zeitungen), die finden, Machtungleichheiten und die damit einhergehenden Einschränkungen von Individuen seien eine gute Sache (auf dieser Seite sind halt meistens Menschen und Institutionen, die von dieser ungleich verteilten Macht mehr besitzen als die anderen) und eben den anderen, die solche Ungerechtigkeiten des Systems keine gute Sache finden. (Dies könnte man vielleicht als weitere Definition von „Feminismus“ nehmen – die Ungerechtigkeiten des Systems nicht als einfach gegeben und vor allem nicht als eine gute Sache hinnehmen, sondern ein gerechteres System anstreben)
Na, machen wir mal weiter mit den Fragen an den Artikel – denn es kommt noch alles so viel schlimmer. Und zwar der zweite Satz des Artikels:
„Zwei Drittel finden, es reiche mit der Emanzipation der Frauen, so eine Studie.“

Frage 3: Welche Studie?
Auf Seite 2 wird erklärt:
„Eine nicht repräsentative Umfrage von 20 Minuten mit über 8500 Teilnehmern“.
Ach so, nicht repräsentativ, okay und 8500 klingt nach viel, ist es aber nicht. Es scheinen 8500 gelangweilte Menschen auf der Homepage von 20 Minuten mal ein Ja angehäkelt haben auf eine Frage wie „nervt Sie Feminismus?“, schwer vorstellbar, dass die Umfrage auf der Strasse oder gar in Büros in strukturierten Interviewsituationen durchgeführt wurde. Vielleicht konnte man auch zwei Mal oder drei Mal stimmen. Wer hat da gestimmt? Wer war auf dieser Homepage? (ich bin da nämlich beispielsweise nie) Warum haben diese Menschen wohl beschlossen, bei dieser Umfrage mitzumachen – Selektionseffekt? Haben alle das richtige Geschlecht angegeben, wahrscheinlich war es ja eine Online-Umfrage? Wie waren die Fragen aufgebaut?
Also von einer wissenschaftlichen Studie mit einer repräsentativen Stichprobe an Befragten und einem Fragenkatalog, kann keine Rede sein, nur schon irgendein Konzept oder ein halbwegs wissenschaftliches Forschungsinteresse – weit gefehlt. Ich meine – sorry, was will diese „Studie“ herausfinden? Und wozu? Was ist eigentlich der Sinn der Sache? Hä?
Na, lassen wir das, das verlorene Liebesmüh, jedenfalls – es ist Polemik, was hier betrieben wird, und nur das, noch nicht mal Populärwissenschaft lässt sich das nennen.

Zur Aussage der lustigen Umfrage:
„Genug von den Kampagnen für Frauenquoten und Lohngleichheit (...) 81 Prozent finden, dass genug für die Emanzipation getan worden ist.“
Entschuldigung, aber irgendwo .. also echt ... was soll ich dazu sagen/schreiben?! Wieso wird in der meistgelesenen Zeitung der Schweiz Menschen, die ernsthaft der Meinung sind, es solle aufgehört werden für Lohngleichheit zu kämpfen, so viel Platz zugestanden?! Dieser Artikel ist also nicht etwa ein harmloser polemischer Denkanstoss zur Genderthematik (nicht dass es den in Wahrheit jemals überhaupt gäbe), sondern er ist dezidiert ungleichheitsfördernd beziehungsweise -bewahrend:
Vor allem das Thema Lohngleichheit hänge vielen zum Hals heraus. Wir wissen es langsam, sagt Hunziker.“ (Oliver Hunziker, Präsident der Organisation Verantwortungsvoll erziehende Väter und Mütter)

Ähm ja, das Thema hängt mir auch zum Hals raus, es ist ein unangenehmes Thema und nur zu sehr wünschte ich mir, wir müssten nicht mehr darüber sprechen. Solange aber geschlechtsbedingte Diskriminierung beim Lohn (sprich: Frauen verdienen weniger, weil sie Frauen sind) noch eine absolut unbestrittene Tatsache ist, müssen wir darüber reden:

Quelle: Bundesamt für Statistik, Zahlen von 2010


Nur weil das irgend jemanden nervt, der davon nicht betroffen ist (beispielsweise eben der Herr Hunziker) gibt man doch dem nicht so eine Plattform. Als wäre das eine legitime Meinung, die man halt so haben kann und nicht pure sprachliche Gewaltanwendung.
Er lässt sich nochmals zitieren, der Herr:
Viele Männer, aber auch junge Frauen haben zunehmend die Nase voll vom Geklöne der Feministinnen‘, (...)“
Es wird also das Wort den in diesem Fall Privilegierten („Männer“ und vielleicht auch „junge Frauen“, die wahrscheinlich kinderlos sind – wie sehen sie Anstellungsverhältnisse dieser Menschen aus?) gegeben. Und: Privilegierte haben schlichtweg kein (moralisches) Recht, sich darüber zu beschweren, dass sich die Minderprivilegierten wehren. Dass sie es trotzdem tun ist aber auch logisch, da sie ja eben etwas zu verlieren haben. Vielleicht ist es schlichtweg naiv von mir zu finden, dass die meistgelesenste Zeitung der Schweiz (die noch dazu gratis ist, also nicht auf KäuferInnen angewiesen ist), nicht einfach um Aufmerksamkeit zu bekommen (die hat sie ja eh schon) den Privilegierten soviel Platz zugesteht, mal ein bisschen nach unten zu treten.
Sie hätte den Platz mal besser dazu genutzt, eben auf die Missstände aufmerksam zu machen, beziehungsweise Strategien aufgezeigt, wie sich diese verkleinern liessen. Nur dazu hätte sich halt nicht so einen catchy Titel setzen lassen.
Hätte aber mir meine Heimfahrt von der Arbeit – wie viel verdienen da eigentlich meine männlichen Kollegen? – nicht mit 20 Minuten Ärger ruiniert.
Und neben mich hat sich unterdessen ein Mann in meinem Alter gesetzt, der am Telefon ist mit Laura und ihr auf äusserst einfühlsame Weise zu helfen versucht, wie Laura denn nun ihrem „neuen Mann“ (nicht er, ein anderer) gegenübersteht, was sie von ihm will, wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll. Ich lege die Zeitung weg und höre zu. Zum guten Glück sind „Männer und Frauen“ manchmal (meistens?) einfach nur Menschen, die sich trotz diesem allgegenwärtigen Bombardement von Geschlechterkriegsrhetorik und Antifeminismuspolemiken einander gegenüber respekt- und liebevoll verhalten. Und das ist doch eigentlich schon eine unglaubliche Leistung. Ich möchte den jungen Mann am liebsten umarmen und ihm danken, dass er Laura ein so guter Freund ist. Ich stehe auf, schmeisse die Zeitung in den dafür vorgesehenen Abfalleimer und steige –ausgekotzt – aus dem Zug aus.
Alltag. Ein Tag, wie so viele andere.

Freitag, 8. März 2013

Der internationale Tag der Frau

Von Evelyne


8. März: Heute ist der internationale Tag der Frau, der dieses Jahr unter dem offizellen UN-Motto "Time for action to end violence against women" stattfindet.
Auch wenn es natürlich nicht erstrebenswert ist nur an einem Tag im Jahr auf die Interessen der Frauen aufmerksam zu machen, kann er mediale Aufmerksamkeit generieren. Ich nehme den 8. März zum Anlass Fakten aufzuzählen, um die ewige Frage "was ist eigentlich dein Problem?" wieder einmal zu beantworten.
Die Liste ist natürlich beliebig zu ergänzen.

Unsere Vorreiterinnen

 

Probleme in der Schweiz:

  • Bundesgesetz über die Gleichstellung: Das Diskriminierungsgesetz (Art 3) verbietet Arbeitnehmer_innen aufgrund ihres Geschlechtes direkt oder indirekt zu diskriminieren.
  •  Frauen verdienen durchschnittlich 1176 Fr./Monat oder 18,4% weniger als Männer (Differenz Medianlohn brutto pro Monat; gem. Lohnstrukturerhebung 2010 des BfS), auch bei gleichen Anforderungen. 
  •  Nach wie vor tragen die Mütter die Hauptverantwortung für Erziehung und Betreuung der Kinder ("Unbezahlte Arbeit").
  •  Die Familie und das Heim gelten in der öffentlichen Meinung nur als Orte der Erholung, Geborgenheit und des Konsums. Ihre volkswirtschaftliche Bedeutung wird verkannt.
  • Qualifikationen, die durch Haus- und Familienarbeit erworben werden, werden auf dem Arbeitsmarkt kaum anerkannt. Ihr Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wohlstand schlägt sich nicht in entsprechenden Leistungen der Sozialversicherungen nieder.
  • Nicht zuletzt aus diesen Gründen sind in der Schweiz viel mehr Frauen als Männer von Armut betroffen.
  • Erfreulich: Der Anteil der Haushalte mit gemeinsamer Verantwortung für Haus- und Familienarbeit stieg zwischen 2000 und 2004 im schweizerischen Durchschnitt von 10,3% auf 13,2%.
  • Dagegen sank der Anteil der Haushalte, in denen die Hauptverantwortung hauptsächlich bei der Mutter liegt von 87,2% auf 82,9%.
  • Trotz dieser Tendenzen sind nach wie vor die Mütter hauptsächlich für Haus- und Familienarbeiten zuständig
  • Gegenwärtig beträgt der Frauenanteil im Nationalrat 26% und im Ständerat rund 24%. Damit nimmt die Schweiz heute im europäischen Vergleich zusammen mit Österreich eine Mittelposition ein.

Probleme International:

  • Je nach Quelle werden weltweit zwischen 600'000 und 2,4 Millionen Opfer von Menschenhandel geschätzt, oft ist dies Verbunden mit dem Zwang zur Prostitution.
  • Das Bundesamt für Polizei schätzt, dass in der Schweiz 1'500 bis 3'000 Personen, meist Frauen betroffen sind. Seit 1998 sind frauenspezifische Fluchtgründe im Schweizerischen Asylgesetz verankert. Art. 32 des Asylgesetz wurde ergänzt mit dem Satz: „Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen“.
  • In Schottland wurde in einer Studie 2009 festgestellt, dass 70% der asylsuchenden Frauen in ihrem Leben Gewalt und/oder sexuelle Gewalt erfahren haben.
  • Weltweit sind zwischen 100 und 140 Millionen Mädchen und Frauen genital verstümmelt. Jedes Jahr kommen 3 Millionen dazu, das sind 8000 pro Tag oder alle 11 Sekunden ein neues Opfer.
  • Weltweit ist jede Dritte Frau in ihrem Leben geschlechterbasierter Gewalt ausgesetzt.
  • Im Bereich der Medien (TV, Musikvideos, Werbung, Presse) ist die Unterdrückung von Frauen meist subtiler. Trotz gesetzlicher Gleichstellung werden Frauen häufig auf untergeordnete Weise und lediglich mit dekorativer Funktion gezeigt.


Montag, 4. März 2013

Podcast zum Abstimmungssonntag

Staatskinder?

eigentlich kann man dadrüber nur lachen!


hier unser Podcast zum Abstimmungssonntag - enjoy!


https://www.box.com/s/638kaek4m0c7mkltaxev


Grüsse, Evelyne und Jasmine 

Sonntag, 13. Januar 2013

Django unchained – Have you always been alone?

von Evelyne

Ein Western von Quentin Tarantino, in dem ein Sklave frei wird und sich zusammen mit einem Kopfgeldjäger auf die Mission begibt seine Frau Broomhilda (Kerry Washington) zu retten. Ein Abenteuer, das zeigt, wie Django (Jamie Foxx) wie einst Siegfried versucht seine Brünnhilde zu befreien.


Dr. Schulz und Django

Ein Film der sich in ein schwieriges Territorium begibt. Tarantino stellt das vor-Bürgerkriegs Amerika des Südens auf seine eigene Weise dar und wird genau dafür kritisiert. Auffallend ist die wiederholte Zurschaustellung des nackten schwarzen Körpers. So werden die Mandingo-Kämpfer gezeigt, verschlungen in einem gnadenlosen Kampf um Leben und Tod. (Der Mandingo-Sport ist nicht klar belegt, Tarantino bediente sich dieses Mythos für die Schlüsselhandlungen seines Films) Django hängt zu Ende nackt und kopfüber von der Decke und es gibt auch eine Szene in der er badet. Broomhilda wird nackt in einem Loch im Boden gezeigt und die Peitschenmale auf ihrem Rücken werden zur Schau gestellt. Es werden ausschliesslich schwarze Körper  so gezeigt. Sehr oft ist die Nacktheit verbunden mit Gewalt und Bestrafung. Diese Gewalt wird wiederholt vorgeführt und übersteigert.
Neben der Darstellung von Körpern wurde auch  die sehr häufige Verwendung des N-Wortes im Film kritisiert. Jelani Cobb meint im New Yorker gar „ Had the word appeared any more often it would have required billing as a co-star.“ An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass insbesondere die Bösewichte des Filmes sehr oft von dem Wort Gebrauch machen. So der Plantagenbesitzer Candie (für einmal richtig böse und mit schlechten Zähnen: Leonardo di Caprio) und sein Hauptsklave Stephen (Samuel L. Jackson), der in seiner Verachtung der eigenen Leute eine Reminiszenz an die Onkel Tom Figur darstellt. Djangos Begleiter Dr. King Schulz (Christoph Waltz) schreckt vor dem Gebrauch des Wortes zurück und Django benutzt es vor allem in seiner Darstellung eines Mandingo-Experten.  Die Bösewichte dieses Filmes werden fast ohne Sympathie und nicht als Anti-Helden dargestellt, sondern sind dafür da gehasst zu werden. Die zweischneidigen Figuren sind bei diesem Film die Helden Django Freeman und Dr. King Schulz.

The fastest gun in the west
Django ist ohne Frage ein Westernheld, wortkarg und cool, er wird als fastest gun in the west bezeichnet. Aber er scheint ohne Mitgefühl für das Schicksal der Sklaven zu sein und richtet kein einziges freundliches Wort an einen von ihnen (ausgenommen seine Frau Broomhilda). Krass erscheint die Szene in der er auf dem Weg nach Candies Farm reitend einem Sklaven von oben herab befiehlt ihn nicht anzusehen. Schulz bespricht sich daraufhin mit ihm und äussert sein Unwohlsein über Djangos Umgang mit den Sklaven. Django hingegen hat verstanden, dass er genau mit diesem Akt das Interesse und die Neugier von Candie geweckt hat. Die Herabsetzung der Sklaven gehört zu seinem Akt, das ihn seinem Ziel – der  Befreiung seiner Frau - näher bringt. Djangos Figur wirkt deshalb so stark, weil sie den anderen schwarzen Figuren des Filmes so krass entgegen steht. Keine/r der anderen zeigt auch nur einen Ansatz der Auflehnung gegen die Sklaverei. Django wird von den Schwarzen ebenso schief angeschaut wie von den Weissen. Er stellt ein Rätsel dar. Candie spricht an einer Stelle von dem Sklaven, der den einen unter Zehntausend darstellt, der besonders stark oder intelligent ist und deshalb mehr als ein Sklave sein kann. Er spricht erst über einen seiner Mandingo-Kämpfer und meint dann sofort erkannt zu haben, dass Django so einer unter zehntausend sei.
Django bezieht sich am Ende noch einmal auf diese Bemerkung Candies, bevor er Candyland endgültig dem Erdboden gleich macht. Er verkündet seinem Gegner Stephen, dass er der eine unter Zehntausend sei, der kühn genug sei jeden zu töten, der in seinem Weg zur Freiheit stehe. Diese Rede von dem Einen unter Zehntausend bedient sich der Trope der Sklaven, die sich nicht auflehnen und wehren und ist daher sehr problematisch. Ist Django tatsächlich so alleine in seiner Auflehnung? „Django have you always been alone?“ Wie es im Titelsong heisst.  Im Film scheint es so.
Stephen ist ein Charakter, der nicht nur die Auflehnung ablehnt, sondern die Sklaverei zudem aktiv unterstützt. Zu Beginn lernen wir ihn als eine Art Hofnarr kennen, der sich dagegen wehrt, dass Django als Schwarzer in einem Zimmer im Haupthaus schlafen und wie ein Gast behandelt werden soll.

Stephen streitet mit Mr. Candie
Doch hinter seinem spielerischen, übertriebenen und humoristisch hervorgebrachten Protest steckt grosses Gewaltpotential. Er spricht davon, die Bettlaken in denen Django geschlafen hat danach verbrennen zu müssen. Er ist es schliesslich auch, der Broomhilda und Django verrät und der auch nachdem sein Besitzer tot ist, die Ordnung aufrecht erhält. Sein Verhältnis zu Candie ist aber interessanterweise mit dem von Django und Dr. Schulz vergleichbar. Candie vertraut Stephen, wenn auch nur hinter verschlossenen Türen und folgt seinen Anweisungen.

Stephen durchschaut Broomhilda
So ist es schliesslich nicht der fiese Plantagenbesitzer Candie, der Djangos Endgegner darstellt, sondern Stephen, der sich mit Leib und Seele dem Sklaventum verschrieben hat. Während Candies Ableben der Anfang des Showdowns darstellt, ist der Tod Stephens sein Endpunkt. Gleichzeitig mit Cadie stirbt auch Dr. Schulz und Django ist von diesem Zeitpunkt an auf sich alleine gestellt. Seine wahre Befreiung hatte auf dem Weg nach Candyland begonnen, als er Schulz erklärte, dass er sehr wohl genau wisse wie er Candie um die Finger wickeln könne. Zu diesem Zeitpunkt hörte er auf zu fragen und zu zweifeln und seine Emanzipation von seinem weissen Begleiter Schulz begann. Nach dessen Tod ist er nun dazu bereit, seine Reise alleine fort zu setzen.
Nachdem er die Sklaven raus geschickt hat – mit Ausnahme von Stephen natürlich – macht er Candyland und seine Bewohner dem Erdboden gleich. In diesem Moment wird auch seine Frau Broomhilda, die zuvor eher still war und vor allem die Funktion hatte gerettet zu werden, handlungsfähig. Das Bild, wie sie sich graziös die Finger an die Ohren hält, bevor das Haus explodiert und wie sie anschliessend  das Gewehr in die Hand nimmt und mit Django davonreitet ist episch. Es zeigt, dass Django nun nicht mehr alleine ist in seinem Kampf um die Freiheit.
Es wäre wünschenswert, dass der Film dies noch klarer gemacht hätte, er konzentriert sich jedoch sehr stark auf die Figur des Django und dessen Stilisierung. Dies geschieht auf Kosten des subversiven Potentials der anderen Figuren.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Lost in Austen : Knutschen mit Bingley und googeln mit Elizabeth Bennet

von Evelyne
Die Bennet-Girls
Es ist eine 4-teilige Miniserie, die Fans von Empirekleidern, höflichen Knicken und galanten Herren begeistern wird. Doch nicht nur die, denn Jane Austens Pride and Prejudice wird in Lost in Austen durch Amanda Price, die sich aus der Gegenwart dorthin verirrt ziemlich durcheinander gebracht. Sie stellt fest: „Hear that sound, George? Duh-uh-uh-uh! That's Jane Austen spinning in her grave like a cat in a tumble-dryer.”

Amanda Price lebt in London der Gegenwart und ist mit ihrem Leben ziemlich unzufrieden, sie sitzt am liebsten auf dem Sofa und liest schmachtend Pride and Prejudice. Da öffnet sich auf einmal eine Tür in ihrem Badezimmer und Elizabeth Bennet steht vor ihr. Die beiden tauschen mehr oder weniger freiwillig die Plätze und so findet sich Amanda plötzlich im 19. Jahrhundert wieder, in einem Buch das im 19. Jahrhundert spielt genauer gesagt.
Amanda trifft Elizabeth Bennet

Sie wird Teil der Geschichte und nichts läuft mehr so, wie es geschrieben steht. Betrunken von Punsch knutscht Amanda Mr. Bingley auf einem Ball, worauf sich dieser angesichts solch ungewöhnlicher Avancen in sie statt in Jane verliebt. Sie wird ihn erst mit der Behauptung wieder los, dass sie auf Frauen stehe. Amanda versucht alles, um die Geschichte wieder ins Lot zu bringen, verspricht gar den garstigen Mr. Collins zu heiraten, der sich gerne in seiner Hosentasche kratzt und dann intensiv an seinen Fingern riecht.

Bei Lost in Austen ist alles ein bisschen übertrieben, aber gerade diese Übertreibung ist grandios. Ein einzelner Mensch aus der Zukunft beeinflusst die ganze Geschichte und das Denken der Figuren. Sie beginnen sich nach einem aufregenderen Leben, das weniger limitiert ist zu sehnen. Wir erfahren auch so einiges über die Figuren, das wir noch nicht wussten. Caroline Bingley macht Amanda Avancen und outet sich als homosexuell. Der durchtriebene Wickham gibt sich zwar als Opportunist, ist jedoch grundanständig und seine Verfehlungen gegen Georgiana unwahr. Mr. Darcy ist durch den Blick einer Frau unserer Zeit noch unerträglicher und arroganter als je zuvor. Allerdings holt Amanda bald das Beste aus ihm raus, schickt ihn in Reminiszenz an Colin Firth in einem weissen Hemd ins Wasser und traut ihren Augen kaum: „I am having a bit of a strange post-modern moment here.“ Mr. Darcy: „Is that agreeable?“ Amanda Price: „Oh, yes. Yes.”

Is that agreeable?
Der phlegmatische Mr. Bennet (gespielt von Hugh Bonneville alias Robert Crawley) wird durch Amanda dazu gebracht endlich einmal zu handeln und sich für seine Familie zu interessieren und Mrs. Bennet und Jane sagen der gehässigen Lady Catherine de Bourgh endlich einmal gründlich die Meinung, als diese sich wieder einmal aufspielen und einmischen will. „I say this. You are a prig, Madam, a pander and a common bully. And you cheat at cards! Do you suppose you may enter my house and brandish your hat at me thus?“
So klingt Mrs. Bennet auf einmal wie Musik in den Ohren und nicht mehr wie die ewig nörgelnde Glucke, als die sie bei Austen erscheint.

Am Ende treffen sich Elizabeth und Amanda wieder im modernen London und machen sich auf zum Haus der Bennets, Liz bestellt und zahlt gleich ein Taxi übers Internet und gesteht, in der falschen Zeit geboren zu sein und sich hier sehr wohl zu fühlen.
Liz hat sich verändert
Am Ende beschliessen beide, nicht mehr in ihr altes Leben zurückzukehren. Amanda traut sich die Geschichte von Pride and Prejudice endgültig zu brechen und entscheidet sich für Darcy.
Elizabeth eröffnet ihrem Vater, dass sie wieder weggehen wird und befürchtet, dass ihre Mutter sehr wütend darüber sein wird. Der Vater meint dazu: “If you go your mother will never see you again but if you don’t then I will never see you again.” (Jane Austen Fans wird dieser Satz bekannt vorkommen.

In Lost in Austen werden aus den Bennet-Girls zwar keine Revoluzzerinnen, sie werden aber durch Amanda dazu gebracht die Werte der Zeit zu hinterfragen. Insbesondere die Männer sind von der seltsam gekleideten und sprechenden Frau verunsichert.
So empfehle ich die Miniserie jeder und jedem, die oder der Jane Austen Verfilmungen liebt, sich dabei jedoch nach mehr Leidenschaft und Sass sehnt.


We have been married nearly 200 years