Freitag, 13. April 2012

Das Zürcher Sechseläuten - ein zutiefst sexistischer Brauch

 von Evelyne

Das Sechseläuten in Zürich ist ein traditionelles Frühlingsfest bei dem der Böögg (ein Schneemann), der mit Feuerwerkskörpern gefüllt ist auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, um den Winter auszutreiben. Vor dem Verbrennen des Bööggs, dessen Scheiterhaufen um 18 Uhr angezündet wird reiten die verschiedenen Zünfte in einem Umzug durch Zürich und es finden sich alljährliche viele ZuschauerInnen zu diesem Spektakel ein. Je nach dem wie lange der Böögg braucht bis sein Kopf explodiert, wird der folgende Sommer schön oder nicht. Alle ZürcherInnen freuen sich an diesem Tag über einen halben Feiertag. 

Der Böögg wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt
"Aaaah, mein Kopf explodiert gleich!"



 Nun klingt das alles erst einmal nach einem fröhlichen Frühlingsfest. Leider perpetuiert das Fest alljährlich auch sexistische Bräuche. So ist es nicht genug, dass die Verbrennung des Schneemanns Erinnerungen an die Hexenverbrennung hervorruft, der schlimmste Punkt ist, dass Frauen von der Teilnahme am offiziellen Zunftumzug ausgeschlossen sind. Diesen Ausschluss begründen die Zünfter mit der Tradition, was völliger Blödsinn ist. Das Sechseläuten entwickelte sich allmählich aus verschiedenen Wintervertreibungsbräuchen in der ganzen Stadt. Im 19. Jahrhundert zogen bekränzte Mädchen, Mareili genannt, durch die Stadt währen die Knaben eine Strohpuppe durch die Stadt trugen, die dann später verbrannt wurde. Ausgeschlossen wurden die Frauen erst 1952. Natürlich in den guten alten 50er Jahren, gerade noch rechtzeitig, bevor es mit der grossen bösen Emanzipation losging. Während sich die Welt rund herum änderte behielt das Sechseläuten seine sexistischen Traditionen bei und verbot Frauen weiterhin die Teilnahme. 

Die stolzen Mannen hoch zu Ross

Letztes Jahr dann erschien endlich Licht am Horizont, die Frauenzunft Gesellschaft zu Fraumünster durfte am Umzug mitmarschieren. Mensch feierte das in den Medien als grossen Fortschritt und Erfolg, was mich schon einmal reichlich entsetzte. Dass es tatsächlich im Jahre 2011 ein grosser Wurf war, dass Frauen bei einem Umzug mitmarschieren konnten war allerhand. Nun aber kam es ganz dicke, denn so richtig glücklich waren die braven Männer der Zünfte dann doch nicht mit ihrer „grosszügigen Geste“. Sie stimmten darüber ab, ob die Frauen weiterhin zugelassen werden sollten – und entschieden sich dagegen. Denn schliesslich verstosse das gegen die Tradition. Und überhaupt! Was haben sie denn noch im Leben, nachdem sie schon fast alle Privilegien abgeben mussten? Da wird man doch noch in Ruhe einen Umzug machen dürfen, ohne Weibsvolk.
Flugs wurde das traditionelle Fest also wieder ohne Frauen organisiert. Auf das diesjährige Plakat kam dann aber gewissermassen als Kompensation ein herziges Meitli mit Zahnlücke.

Ich sage nein zu diesem sexistischen Brauch. Es ist wirklich nicht normal, dass mensch im Jahre 2012 darüber diskutieren muss, ob Frauen an einem von öffentlichen Geldern bezahlten und geförderten Anlass teilnehmen dürfen.

Diese einfach als normal hin zu nehmen gilt nicht mehr, dies ist es nämlich nicht. Es handelt sich um einen öffentlichen Anlass für das die halbe Stadt gesperrt wird und tausende ZuschauerInnen in die Stadt strömen. Indem man dort Frauen die Präsenz verbietet, möchte man sie in aus dem öffentlichen Leben verdrängen und perpetuiert eine Rolle, die tatsächlich so das letzte Mal in den 50er Jahren auftauchte, die Frau in der Sphäre des Privaten. Die Frau, die kein Vorbild sein kann sondern die Männer hoch zu Ross bewundern soll. Es wirken dieselben Mechanismen der Diskriminierung wie schon Jahrzehnte zuvor. Wenn die Frauenzünfte sich dagegen wehren, werden sie als hysterisch abgestempelt und damit noch einmal ausgeschlossen. Es steht den Frauenzünften aber zu, an dem Umzug teilzunehmen. Die Frauen sind ein Teil der Gesellschaft und es ist zum kotzen, dass ich das im Jahr 2012 tatsächlich schreiben muss!


Die Frauenzunft "Gesellschaft zu Fraumünster" am Umzug 2011

1 Kommentar:

  1. Schreiben an den Präsidenten der Zürcher Zünfte, zum kopieren oder als Inspiration

    Lieber Zünftepräsident

    Ich habe gehofft, dass es nicht nötig sein wird Ihnen zu schreiben, weil sich die Traditionen doch auch verändern und erweitern könnten, aber nach diesem Rückschritt bleibt mir nichts anderes übrig. Ich halte den erneuten Ausschluss der Frauenzunft für sexistisch, es ist ein böses Wort, aber es ist schliesslich auch eine böse Sache. Personen nur aufgrund ihres Geschlechtes von einem öffentlichen Anlass auszuschliessen ist sexistisch. Weshalb es mich besonders stört ist, weil damit den Frauen das Recht auf ein Sein im öffentlichen Raum abgesprochen wird. Sie werden damit zum anderen Geschlecht gemacht und ihnen bleibt nur der Raum des Privaten übrig. Ich finde das sehr schade, da gerade so ein Anlass, bei dem viele Kinder zuschauen eine Möglichkeit wäre, den Mädchen die Zünfte durch weibliche Vorbilder, die sie bewundern und zu denen sie aufschauen können zu zeigen. Ich muss leider sagen, dass ihre Entscheidung grosses Unbehagen und auch Entsetzen in mir ausgelöst hat. Ich finde ist nicht normal, darüber im Jahr 2012 überhaupt diskutieren zu müssen. Ich hoffe sehr, dass sich dies bald ändern wird, da ich so in dieser Form mit dem Sechseläuten nichts mehr zu tun haben möchte und schon gar keine Freude daran habe.

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