Donnerstag, 26. Januar 2012

Traumfrau aller Serienmacher: jung, sexy, zu Tode gequält

von Jasmine

So, die zweite Frau mit Qualitätsgarantie meldet sich auch einmal zu Wort, hallo liebes Internet. Ich wollte mir eben, nach einem anstrengenden Tag (ROSA-Layoutwochen-Tag), gemütlich eine Serie anschauen, doch es erging mir wie schon gestern und jetzt bin ich genervt! Warum muss in allen Krimiserien immer so enorm lustvoll Gewalt an Frauen zelebriert werden?!

Gestern hab ich mir den Tatort angesehen, da gings um Mädchen, die von einem Sadisten über Jahre gefangengehalten und völlig psychisch gebrochen wurden. Schon mal eine hübsche Geschichte, die ich so noch gar nie gehört habe (ironie off). Und auch die Inszenierung war grauenhaft, die Musik und die Bilder liessen keinen Zweifel daran, dass diese äusserste Verzweiflung der jungen Frauen zwar GRAUENHAFT ist, aber dennoch äusserst spannend. Die Zuschauerin wird in die Rolle des Voyeurs gedrängt, die gänzlich anders funktioniert, als dies beispielsweise in Pasolinis Film "120 Tage von Sodom" der Fall ist. In Pasolinis Film wird zwar jede erdenkliche Folter an jugendlichen Körpern durchgeführt und die Zuschaurinnenposition ist auch klar jene der unbeteiligten Voyeurin, aber es geschieht nie, dass mensch sich fühlt, als könnte mensch dieses grausige Spektakel zurückgelehnt geniessen. Vielmehr schafft es Pasolini, dass sich die Zuschauerin ständig ihrer schrecklichen Rolle im Ganzen bewusst ist "ich schaue da zu, ich mache nichts, ich schaue noch nicht einmal weg!". Beim Tatort jedoch wird die Folter jedoch eher als etwas Prickelnd-Aufregendes inszeniert, dem ich als Zuschauerin ruhig zuschauen kann und mich sowohl entsetzen als auch daran aufgeilen kann, wie diesen Mädchen ihre Unschuld weggefoltert wird. Dies sind zwei Screenshots vom Tatort dieser Woche:
So habe ich also heute gedacht, ich schau mir eine etwas magischere Serie an: Grimm, die seit ein paar Wochen in den USA angelaufen ist. Der Hauptdarsteller ist Polizist und ein Nachfahre der Brüder Grimm und erkennt Fabelwesen, die für "normale" Menschen ebenfalls wie solche aussehen. Ich wollte mir die vierte Folge mit dem Titel "Lonelyhearts" anschauen. Schon in der ersten Szene läuft eine halbnackte Frau schreiend durch die Nacht und wird schliesslich von einem Mann mit schwarzem Mantel auf einer Brücke umgebracht, indem er ihr Mund und Nase zuhält, bis sie erstickt. So weit so normal, irgendwie fangen Krimiserien halt an. (Auch wenn die Szene mit umgekehrten Geschlechterrollen kaum denkbar ist). Aber ich bin mich ja gewohnt, dass es meistens junge Weisse weibliche Mordopfer sind, habe also den üblichen "das ist halt so, suck it up, sonst kannst du fast gar keine Fernsehserien schauen, hoffentlich ist dafür die Geschichte gut"-Schalter umgelegt und zugeschaut, wie die beiden Polizisten den gewalttätigen Mann der Ermordeten aufsuchen, der traurig und eigentlich gar nicht so ein bad guy ist und sicherlich nicht der Mörder. Na gut. *leerschluck* weiter geht's. Die Spur führt die Polizisten in ein Bed&Breakfast, das von einer Fabelgestalt geleitet wird. Grimm findet heraus, dass es sich dabei um ein "Ziegenvolk" handelt, also um einen narzisstischen Vergewaltiger, wie erklärt wird. Nur dass das nicht so gesagt wird sondern so: "They are lovers, not fighters. They like to have a lot of females hanging off their every word. And not excactly the monogamous type, you know. They live for the rut. Picking out their females, you know - for breeding (...)", ab min 16:
ach so, sie wollen also ihr Erbgut verteilen. Ein Volk bestehend aus Vergewaltigern - die Opfer sind mal wieder junge hübsche, unschuldige Menschen-Mädchen... Dann erfährt mensch, dass dort wo die Polizisten ermitteln auffällig viele Frauen verschwunden seien in letzter Zeit und man sieht diese Einstellung:
und dann hatte ich einfach keinen Bock mehr. Hab noch etwas vorgespult, nur um zu sehen, wie die Frauen in den Käfigen irgendwann als sexy Opfer dargestellt würden, wurden sie dann auch, aber das erspar ich euch jetzt.

Mensch kann sich's leider vorstellen, sind wir doch alle andauernd von solchen Bildern umgeben. Junge, hübsche, blonde, unschuldige Engelchen zerstört, gefoltert, getötet. Wie sexy! Dieser Stereotyp ist zum einen rassistisch, spielt er doch auf das Konstrukt der hilflosen, reinen Weissen Frau ab nicht-Weissen Frauen wird diese Unschuld und Reinheit nicht zugeschrieben, sie sind viel seltener als Opfer und öfter als gewaltbereite Monster anzutreffen (siehe z.B. Kanye Wests Video "Moster" oder noch besser: http://feministing.com/2011/01/13/im-so-done-defending-kanye/). Es ist zudem eine sexistische Gewaltphantasie. Denn dieses als hilflos und rein konstruerite Wesen wird daraufhin von einem Mann mittels (sexueller) Gewalt ihrer Unschuld und Reinheit beraubt. Die männlichen Polizisten spielen dabei die "guten Männer", die schliesslich die armen Opfer aus den Fängen der "bösen Männer" befreien. Die "bösen Männer" wurden übrigens sowohl im Tatort als auch bei der Grimm-Folge als effeminiert dargestellt, womit auch noch die bislang noch fehlende Prise Homophie hineingestreut wird. Letzlich ist der "männliche Mann" der Retter des weiblichen Opfers. Das ist dann mal ein perfektes Beispiel, um den male gaze im Mainstream Fernsehen aufzuzeigen, denn die einzigen, deren Selbstbild in solchen Darstellungen positiv dargestellt wird sind Weisse, heterosexuelle Männer.

Dazu noch zwei Lesetipps:

tv trope:
http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/MaleGaze

(ist schon etwas länger her, als ich's gelesen hab, habs aber in guter Erinnerung):
http://www.genderforum.org/print/issues/face-to-race/male-gaze-and-racism/


Ich verzichte für heute auf Serien und gehe in meinem wunderbar tollen Buch "Dawn" von Octavia Butler weiterlesen. Dazu gibts dann irgendwann einen eigenen (bedeutend glücklicher machenderen) Blogeintrag.

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